„Wir ernähren uns selbst – unabhängig von Konzernen, nach ökologischen Grundsätzen und mit vereinten Kräften“ – das ist die Idee, die hinter „Solidarischer Landwirtschaft “ – kurz: Solawi – steht!
Dazu haben die mittlerweile über 300 Mitglieder der Solawi Mainz einen eigenen Landwirtschaftsbetrieb gegründet, Maschinen und Saatgut gekauft, Pachtverträge abgeschlossen und vier Gärtner*innen engagiert. Finanziert wird der Betrieb nach dem Prinzip eines fairen Finanzausgleichs: Wer mehr hat, gibt auch mehr, damit alle unabhängig von ihrem Einkommen mitmachen können.
Nicht der Markt bestimmt also, was zu welchem Preis und auf welche Weise angebaut wird, sondern wir selbst entscheiden – die Mitglieder der Solawi Mainz! Wer bei uns mitmacht, kauft also nicht ein einzelnes Lebensmittel, sondern er verantwortet die gesamten Anbau mit: von der Aussaat bis zur Ernte, von der Finanzierung bis zur Verteilung der Lebensmittel. Dafür teilen wir uns die Ernte ebenso wie die Aufgaben, Kosten und Risiken. Und wir übernehmen Verantwortung: für unser Stück Land, für unseren Betrieb und für die Menschen, die für uns arbeiten.
Wie alles begann
Während der Informationsveranstaltung ‚Neue Städter braucht das Land‘ lernten sich die Gründungs-Initiatoren der SoLaWi Mainz im August 2013 kennen und entwickelten gemeinsam den Plan, ein Pilotprojekt ‚Solidarische Landwirtschaft‘ in Mainz ins Leben zu rufen. Nachdem Planung und Landsuche Form angenommen hatten, konnten wir 2015 mit Hilfe eines sehr engagierten Gärtners auf der idyllisch gelegenen ‚Ochsenwiese‘ mit dem Gartenbau im Herzen Mainz-Gonsenheims auf 1500qm Gartenfläche beginnen. Es gelang uns in einem Übeparcour einige Bausteine unserer Vorstellung von solidarischer Landwirtschaft in der Praxis zu testen und für 10 Anteile / Haushalte vielfältig Gemüse anzubauen, welches unsere Teilnehmer donnerstags, frisch geerntet in Mainz-Gonsenheim abholen konnten. Unser Jahresrückblick ergab die Schlussfolgerung, dass das Projekt in Bezug auf Ernteertrag, Finanzierung, Ökologie, Gemeinschaftlichkeit und Zufriedenheit der Abnehmer gelungen war und wir begannen mit den Plänen uns in 2016 auf 70 Anteile zu vergrößern.
Folglich suchten wir weitere Landfläche, gründeten den Verein ‚SoLaWi Mainz e.V.‘ um als Arbeitgeber funktionieren zu können, engagierten eine zweite Gärtnerin, entwickelten Arbeitsgruppen und Organisationsstrukturen innerhalb unseres Vereins und begannen mit unseren Vorbereitungen für das spannende Jahr 2016.
Und heute?
Ab Mai 2018 haben wir uns vergrößert auf 105 Anteile, ab März 2019 auf 117 Anteile und ab März 2020 auf 120 Anteile. Mittlerweile zählen wir über 300 Menschen in unserem Verein.
Wir bewirtschaften derzeit 6ha Land: davon 2,2 ha Gemüse im Fruchtwechsel mit 3 ha Gründüngung (u.a. 3 Jähriges Luzerne) und 700 qm Obst, das restliche Land ist Bannstrukturen und Naturschutzhecken vorbehalten. So wird ein ganzjähriger Gemüseanbau ermöglicht, eine Gemüseversorgung mit ca. 60 unterschiedlichen Kulturen.
Unsere Grundsätze
Unsere gärtnerischen Grundsätze sind
Das Ziel unserer Gemüseplanung ist es rund ums Jahr genug regionale und saisonale Vielfalt und Mengen anzubauen, sodass wir alle möglichst wenig an Gemüse dazukaufen müssen. Jedes Jahr ist klimatisch anders. Daher kann trotz guter Planung mal mehr und mal weniger von einer Sorte vorhanden sein.
Saatgut: Bei den meisten Gemüse – auch Bio – welches in Biosupermärkten oder auch Marktständen zu finden sind, handelt es sich um Hybridsorten. Habt ihr euch schon mal gewundert, warum all dieses Gemüse so „perfekt“ und „gleich“ aussieht? Hybridsorten sind Züchtungen, die bestimmte Merkmale optimal ausgeprägt haben, wie z.B. Form, aber hauptsächlich den Ertrag (Geschmack gehört meist nicht dazu). Der Haken an der Sache: Hybridsorten lassen sich vom/von der Erzeuger*in nicht weitervermehren. Dies zwingt die Erzeuger*innen jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen. Bei uns bekommst du deshalb nur samenfestes Gemüse! Samenfeste Sorten haben auch eine gewisse Einheitlichkeit, lassen sich aber von uns Gärtner*innen nachbauen. Saatgut ist Allgemeingut. Auf das Recht auf Nachbau.
Jungpflanzenanzucht: Wir ziehen all unsere Jungpflanzen selbst an, dadurch sparen wir immense Transportkosten (der nächstliegende Bio-Jungpflanzenlieferant ist bei Stuttgart) und haben die Freiheit die samenfesten Sorten anzubauen, die wir möchten und für unseren klimatischen Standort ideal sind.
Keine Selektion auf dem Acker: Warum herkömmliches Gemüse außerdem so „perfekt“ ist: Es wird bei der Ernte streng selektiert und ausgesondert. Bei Karotten z.B. enden bis zu 70% als Tierfutter, weil der Markt gewisse Normgrößen, wie auch Normformen verlangt. Nur diese gelangen dann über den Großhandel in die Märkte. Bei uns bekommt ihr Alles! Wundert euch also nicht über die beinige Karotten, wie die krumme Gurke.
Bewässerung: Wir Bewässern so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Wir nutzen dafür Tropfschläuche, was den Wasserverbrauch, die Verdunstung und Bodenverschlämmung mindert.
Düngung: Gedüngt werden bei uns nur Starkzehrer (wie z.B. Kohl und Tomate) mit regional und biologisch angebauten Ackerbohnenschrot.
Schutz vor Schädlingen: Wir nutzen sog. Kulturschutznetze um z.B. Karotten, Lauch und Kohl vor Schädlingen zu schützen. Es gibt jedoch Schädlinge die wir nicht durch Netze von unseren Kulturen abhalten können: Wir spritzen nicht gegen Läuse, da wir der Meinung sind dass dadurch auch viele andere Nützlinge (wie z.B. Marienkäfer, Laufkäfer) dadurch geschädigt werden. Nur bei einem Schädlingen kommen wir nicht immer drum herum zu spritzen, dem Kartoffel-Käfer. Allerdings versuchen wir durch gezieltes Spritzen von „Nestern“ die Spritzmengen mit Neem (Neemöl wir von einem Baum gewonnen) so gering wie möglich zu halten.
Fruchtfolge: Für möglichst weite Fruchtfolgen (= Gemüsekulturen sind in Pflanzenfamilien aufgeteilt, zwischen einer Familie sollen min. 5 Jahre liegen) mit Gründüngung bedarf es einer größeren Anbaufläche als die „reine“ Gemüse Kultur. So möchten wir es in Zukunft schaffen, dass von insgesamt 5 ha Anbaufläche: 1,5 ha Gemüse sind und der Rest „Stillgelegt“ mit z.B. Kleegras.
Dies erhält und verbessert uns den Boden für die kommenden Generationen und fördert die Artenvielfalt auf und um unsere Anbauflächen herum. (Besserer Boden heißt = besserer Erträge, höhere Artenvielfalt = Nützlinge für den Gemüseanbau, Naturschutz (mehr Insekten = mehr Vögel).
Bodenbearbeitung: Wir versuchen den Boden so wenig wie möglich tief zu bearbeiten, um das Bodenleben nicht zu stören. Wir arbeiten gerade daran das Prinzip der „Mulchwirtschaft“ auszuprobieren und in den kommenden Jahren zu integrieren, das heißt wir legen Schnittgut (von den Kleegrasflächen) zwischen die Gemüse-Kulturen, um den Boden möglichst das ganze Jahr zu bedecken.
Außerdem achten wir innerhalb des Gärtner*innen-Teams auf hierarchiefreie Arbeitsstrukturen. Wir lassen alle Aufgaben rotieren: von Büroarbeiten bis zu Bodenbearbeitungen mit dem Traktor. Unser Anspruch ist es, dass alle Gärtner*innen alle Arbeiten lernen und durchführen können, unabhängig von ihrem Geschlecht und mitgebrachten Erfahrungen. Hierdurch stehen wir auch in ständiger Reflexion zueinander und stetigen gemeinsamen Lernprozess.
Unsere sozialpolitischen Grundsätze sind
- vergleichsweise faire Entlohnung für unsere GärtnerInnen
- keine Duldung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
- gemeinsame Entscheidungsfindung nach dem Konsensprinzip
- weitest mögliche Transparenz in allen organisatorischen Teilbereichen
- Finanzausgleich zwischen finanzstärkeren und schwächeren Mitgliedern
Unsere vereinsorganisatorischen Grundsätze sind in der Vereinssatzung definiert